mit Jan Purwing
Jan Purwing ist Vietzer in mindestens dritter Generation und kann allein deshalb viel erzählen über die Dorfgeschichte. Hinzu kommt seine humorvolle und gewinnende Persönlichkeit, die seine Dorf-Führungen zu ganz besonderen Erlebnissen macht.
Vietze war bis zum Ende des 2. Weltkriegs überwiegend von der Elbschifffahrt geprägt. Etwa 70% der Bewohner hatten direkt oder indirekt mit der Schifffahrt zu tun, als Schiffsführer, Steuermänner, Bootsleute, einfache Matrosen.
Und diese Geschichte kann man dem Dorf heute noch ansehen, am augenfälligsten an dem großen Fahnenmast am hohen Elbufer, der auch heute noch beflaggt wird zum jährlich stattfindenden Schifferfest des Schiffervereins. Dessen Vorsitzender war der letzte aktive Schiffsführer, aber auch ohne weitere an der Elbschifffahrt beteiligte Mitglieder wird die Tradition weiterhin hochgehalten. Was für andere Dörfer Schützenverein und Freiwillige Feuerwehr sind, ist für Vietze der Schifferverein.
Das Dorfbild von Vietze ist geprägt durch seine sogenannten Kapitänshäuser. Die besten und begehrtesten Lagen haben direkten Elbblick, mit Wohnzimmern in Nordost-Lage, wo andere Häuser ihre Schlafzimmer haben. Bei vielen Häusern ist der Blick auf die Elbe inzwischen durch Bäume verstellt, was früher nicht der Fall war.
Da ein Großteil der Männer auf der Elbe unterwegs war, waren es die Frauen und Kinder, die sich um Haus und Garten und zum Teil um kleine Landwirtschaften kümmern mussten. Und immer, wenn die Schiffe in Vietze anlandeten, mussten die Männer mit dem Bollerwagen durch Frauen und Kinder mit Proviant versorgt werden. Um die Ankunft der Schiffe anzukündigen, gab es ausgeklügelte Signalsysteme, denn Mobiltelefone gab es noch nicht. Die Schiffe konnten nicht direkt am Ufer anlegen, so dass sie ankern mussten, mitunter auf mehreren Kilometern Flusslänge; und die Männer mussten mit dem Ruderboot zum Ufer übersetzen.
Bis zur Abschottung der DDR gab es auch eine Fährverbindung per Ruderboot über die Elbe von Vietze nach Mödlich. Für Besorgungen ging es dann meistens zu Fuß bis nach Lenzen. Und wer weiter nach Wittenberge oder gar Berlin wollte, konnte dafür die Eisenbahn nutzen. Diese Kontakte zur anderen Elbseite waren für die Vietzer wesentlich wichtiger als diejenigen z.B. nach Gartow. Es wurden auch Jugendliche nach drüben geschickt zum Korn mahlen. Der Fährmann half beim Entladen des Bollerwagens auf das Boot und drüben beim Wiedereinladen.
Die Anekdoten, wie die der klappernden Rollläden, überlassen wir mal Jan persönlich…